Hunger und Gewalt in Kakuma


Hunger und Gewalt in Kakuma
Die Situation in Kakuma ist dramatisch. Kontakte mit Fr. Mathew und Lawrence, Gespräche mit unserer Supervisorin Lucy und Sr. Sabina von den Charles de Foucauld-Schwestern und Nachrichten von Faraja Kaluta, unserem ersten Savio Club-Lehrer, geben uns einen beunruhigenden Eindruck von den Lebensbedingungen im Lager.
Die Menschen leiden Hunger. Überfälle und Raub in der Folge dieser Not sind an der Tagesordnung. Junge Männer besorgen sich Messer und Macheten. Was zur Verteidigung gedacht sein mag, wird schnell zum Instrument der Gewalt, um Handys und Geld zu erpressen. In dem weit auseinander gezogenen Lager gibt es unübersichtliche einsame Strecken, die für Überfälle genutzt werden.
Lucy besucht wöchentlich die über das Lager verstreuten Savio Club-Gruppen und hat Angst, auch wenn die Fahrt auf dem Motorrad mit einem zuverlässigen Fahrer relativ sicher ist. Die Transporte von Milch und Keksen erfolgen mit dem Auto der Salesianer.
Wie Faraja schreibt, sind die Menschen auch durch den so genannten Shirika Plan der Regierung beunruhigt. An anderer Stelle hatte ich davon bereits berichtet. Er sieht vor, aus Flüchtlingen kenianische Staatsbürger zu machen mit der Folge, dass die Menschen auch für ihr Schicksal eigenverantwortlich werden. Ein zunächst guter Gedanke, der unter den Gegebenheiten von so vielen Menschen in der Umgebung einer Halbwüste völlig illusorisch ist.
Das WFP – World Food Program – hat gezwungen durch die massive Kürzung seiner Mittel einen Plan vorgelegt, der sich Distinguished Assistance nennt – Abgestufte Hilfe. Dazu werden die Flüchtlinge 4 Kategorien zugeteilt.
- Kategorie 1 erhält 40 % der Nahrungsmittelzuteilungen und andere Unterstützungen.
- Kategorie 2 bekommt 20 % der Nahrungsmittelzuteilungen und andere Unterstützungen.
- Kategorie 3 erhält keine Nahrungsmittel mehr. Menschen dieser Gruppe können einen Kredit beantragen.
- Menschen der Kategorie 4 sind völlig auf sich alleine gestellt.
In verschiedenen Gesprächen zeigte sich, wie wenig nachvollziehbar die Einteilung in die verschiedenen Gruppen erfolgt und wie Ungerechtigkeiten dabei entstehen. Unser Lehrer Innocent ist mit seiner Familie der Gruppe 1 zugeordnet worden, weil in seiner Familie ein Kind behindert ist. Der Familie geht es relativ gut, weil zwei Brüder in den USA leben und die Familie von dort unterstützen. – Sein Kollege, unser Lehrer Augustin ist mit seiner Familie in Kategorie 4. Das Gehalt, was wir ihm zahlen, ist der Grund dafür.
Sr. Sabina schreibt von einer Familie, in der Vater und Mutter beide an Sichelzell-Anämie leiden und regelmäßig im Krankenhaus behandelt werden. Sie sind dennoch der Gruppe 4 zugeordnet. – Im Lager formiert sich erheblicher Widerstand. Der Ausbruch von Gewalt scheint nicht fern zu sein.
Faraja schreibt von einer Gruppe von 150 Flüchtlingen, deren Ausreise nach Deutschland bereits feststand und die seit über einer Woche in Nairobi auf ihren Flug warteten. Die Zusage ihrer Aufnahme in Deutschland wurde gestrichen und die ganze Gruppe musste nach Kakuma zurückkehren. Ein Ergebnis der Politik unserer neuen Regierung. Faraja selbst ist das Opfer der Trump Regierung. Im November waren für ihn und seine Familie alle Voraussetzungen gegeben, in die USA auszuwandern. Aber dann zog Donald Trump ins Weiße Haus ein.
Unser Verein hilft
Dank eurer großen Hilfsbereitschaft sind wir in der Lage zu helfen. Die Kinder im Savio Club bekommen seit dem 1. Juli nicht mehr einmal, sondern jetzt dreimal in der Woche Milch und täglich eine Portion Kekse. Die Hilfe für unsere 1.000 Kinder ist nicht ohne Probleme. Die Kinder im Savio Club haben Geschwister. Gerne möchten sie mit denen teilen. Auf dem Weg nach Hause werden sie bestohlen. Es entsteht Streit, der sich ausdehnen kann. – Auch wurden Kinder beobachtet, die ihre Milch verkaufen wollten, um davon anderes zu kaufen.
Andere Eltern möchten ihre Kinder gerne im Savio Club anmelden, damit sie von dieser Hilfe profitieren können. Leider sind wir nicht in der Lage, unsere Gruppen zu vergrößern. Wir gelangen an unsere Grenzen.
Mit Fr. Mathew, Lawrence und Lucy haben wir uns auf folgenden Plan geeinigt. Alle Lehrer und Katecheten, die für den Savio Club arbeiten, bekommen eine zusätzliche Hilfe in Form von Nahrungsmitteln. Fr. Lawrence, der als Pfarrer im Lager den engsten Kontakt zu den Menschen hat und weiß, wer besonders bedürftig ist, hat ein Kontingent zur Verfügung, aus dem er den Bedürftigsten eine Hilfe geben kann.
In gleicher Weise sollen die Schwestern der Charles de Foucauld-Gemeinschaft dazu in der Lage sein. Zurzeit ist es Sr. Sabina, eine Kenianerin, die die Leitung vor Ort hat. Sie schreibt mir, dass sie mit Portionen von 3-4 kg Mais ungefähr 900 bedürftigen Familien helfen will. „I can imagine the tears of joy for those who will receive.” – “Ich kann mir die Tränen der Freude vorstellen bei denen, die etwas erhalten werden.”
Im September wird Sr. Elisabeth aus ihrem Sabbatjahr nach Kakuma zurückkehren.
Fr. Lawrence und Sr. Sabina werden uns für unsere Abrechnung eine Auflistung der Namen, des Grundes der Hilfe und der geleisteten Summe über Fr. Mathew zukommen lassen.
Wir sind uns bewusst, dass unsere Hilfe wie der Tropfen auf den heißen Stein wirkt, wenn man die Situation von außen betrachtet. Für den einzelnen vor Ort ist es aber doch eine große Hilfe, die die Hoffnung am Leben erhält.
Wir wollen nicht nachlassen in unserer Hilfe, auch wenn sie begrenzt ist und hoffen und beten, dass die verantwortlichen Politiker bald ein Einsehen haben werden.
Alfons Nowak, 22. Juli 2025